ION - Whips und Wellen
ION - Whips und Wellen
Trail-Surf-Destination Bali
Bali bietet mehr als „nur“ Wellen und Yoga: Die Berge im Inselinneren, allesamt vulkanischen Ursprungs, reichen bis über 3000 Meter hoch. Mit Bike-tauglichen Pfaden erschlossen sind neben dem rund 1700 Meter hohen Batur auch etliche umliegende, etwas niedrigere Erhebungen: Ein Jahrtausende alter, riesiger Vulkankessel umringt den Batur und bietet ein ganzes Netzwerk an Trails. Dort zeigt sich der Vorteil, den der Mountainbiker gegenüber dem Surfer hat: Während der eine auf den Swell warten muss, kann sich der andere getrost darauf verlassen, dass dort wo Menschen leben und Landwirtschaft betreiben auch immer Wege existieren. Und der Crater Rim – der Einstieg in den Trail liegt bei Penulisan – macht da keine Ausnahme: Auf dem Rand dieses monströsen Kraters, noch fast ohne nennenswertes Gefälle, lässt es sich vorzüglich dahinrollen. Die ganze Zeit über ziehen der Batur (See), der Batur (Vulkankegel) und dessen schwarzsandige Flanken die Blicke an. Davon angeschoben läuft vor dem inneren Auge schon der Film vom Ritt auf schwarzem Vulkansand...
Noch aber verlangt das Auf und Ab des Crater Rim Trail immer ein wenig Aufmerksamkeit: Auf lehmigem Boden rollen wir durch erst dichten, dann lichten Wald. Irgendwann überwuchern uns dafür Elefantengras und Farne bis weit über den Kopf. Double over head würden Surfer das nennen, wäre diese Botanik eine sich brechende Welle. Dann plötzlich säumen trockene Schilfhalme den Weg. Sie sind frisch gerodet und können für Unannehmlichkeiten sorgen: durch schräg verlaufende Schnitte angespitzt und messerscharf durchbohren die Halme sämtliche Hautschichten und darunter liegendes Gewebe mühelos. Wenn man aus dem Fahren heraus einen Halm mit Arm oder Bein erwischt gilt es unbedingt, diesen auch wieder restlos zu entfernen. Sich entzündende Wunden möchte man in den Tropen gerne vermeiden.
Die Mittagspause an einem Warung steht im Zeichen der Wasserzufuhr. Diese wird bei gut 35 Grad und der noch ausstehenden Wegstrecke dringend benötigt: Durch die von der hohen Feuchtigkeit diesige Tropenluft blickt man Richtung Meer. Erst dort unten, etwa 1500 Meter tiefer endet der Trail bei Tianyar an der Nordküste. Relativ sanft fallend schlängelt er sich dort hin. Allerdings sorgt die Wegbeschaffenheit für anhaltende Beschäftigung: Tropische Regengüsse haben die Wege über die Jahre ordentlich ausgewaschen und man muss seine Linie vorbei an Tempel und einheimischen Bauern bei der Arbeit fast immer ein wenig suchen. Dem Fahrspaß tut das keinen Abbruch. Denn wer erwartet schon 1500 Meter Abfahrt in einem Paradies für Surfer?
Ein balinesischer Bergführer auf einem Motorrad, der für gewöhnlich Touristen zum Sonnenaufgang auf den Batur führt, weist den Weg zu den bereits erwähnten Black Sands. Die tiefen Reifenspuren der Cross-Maschine (und nicht nur einer) zeigen, dass der Spielplatz auf schwarzem Sand sonst den Einheimischen vorbehalten ist. Bis hinauf zu den ersten dampfenden Schwefellöchern erstreckt sich eine wohlgeformte Hügellandschaft aus körnigem Vulkansand. Die Anzahl möglicher Abfahrtslinien und –varianten ist riesig: Gravel Surfing at its best! Im Gegenlicht der untergehenden Sonne explodiert der Sand bei der Durchfahrt zweier Reifen geradezu. Die Staubfahnen hinter dem Hinterrad erwecken den Eindruck, als brenne man eine Linie in die Geröllhalden aus schwarzem Gestein. Irgendwie passend auf den Flanken eines noch immer aktiven Vulkans...
Dass vulkanischer Boden nicht nur aus Mountainbiker-Sicht als besonders fruchtbar gilt – siehe auch: La Palma, Madeira – davon ist Alex Springenschmidt überzeugt. Der gebürtige Österreicher lebt seit über zehn Jahren auf Bali, betreibt dort das Bike- & Surf-Hotel Chillhouse, bietet Touren an und arbeitet bereits am nächsten Projekt: Umgeben von dicht wuchernder, tropischer Regenwald-Vegetation arbeitet Alex mit Hilfe der lokalen Bevölkerung am Bali Bike Park. Der noch viel treffendere Name für diesen Spot aber lautet schlicht: Jungle Playground. Inmitten des balinesischen Dschungels gelegen ist der Park mit einem 15-minütigen Fußmarsch zu erreichen. Man gelangt zu einer Lichtung, die das derzeitige Zentrum des Bali Bike Park darstellt. Absprünge unterschiedlicher Größe, zumeist als Step Down angelegt, eröffnen von dort die Abfahrt in Richtung Beratan-See. Ein stetig wachsendes Trail-Netzwerk in unmittelbarer Umgebung, diverse weitere Obstacles, und zuletzt ein amtlicher Step Up-Sprung ergänzen das Setup des Jungle Playground zu einem der ersten Bikeparks in den Tropen überhaupt. Und weil Liftanlagen im Dschungel eher schwierig zu finden sind, übernehmen Shuttle-Jeeps den Transport zum Startpunkt. Überhaupt ist man wegen hoher Luftfeuchtigkeit und Temperatur um die Shuttle-Dienste grundsätzlich mehr als froh und so orientiert sich der Moutainbike-Sport auf Bali auch vorrangig bergab. Das aber geht völlig in Ordnung, steht doch der Gedanke des Surfens – aufs Trails wie auch auf Wellen – auf Bali im Vordergrund. Wer ausschließlich Höhenmeter bergauf wegdrücken möchte, ist andernorts besser aufgehoben.
Angesichts der balinesischen Kombinationsmöglichkeiten von Trail und Strand ist bergauf Pedalieren auf diesem Eiland aber auch nicht der attraktivste Zeitvertreib. Die Nähe des Chillhouse zum Wasser lädt stattdessen dazu ein, mit Fahrrad oder dem landestypischen Gefährt, einem Motorrad samt Surfboard, Richtung Strand zu rollen. Sowohl Echo Beach wie auch Old Man’s Beach liegen keine zehn Minuten entfernt. Einsam sind die Strände zwar nicht. Vor allem nicht während der zahlreichen – und durch einen nur schwer durchschaubaren Kalender festgelegten – Feiertage. Aber man gewinnt einen kurzen Einblick in die Feiertagskultur balinesischer Familien. Mehr Abgeschiedenheit verspricht Gastgeber Alex dafür auf dem so genannten Ricefield Ride: Als einfache Trail-Tour startet der Ricefield Ride im Weltkulturerbe Jatiluwih und führt durch Reisterrassen bis an die Küste. Gemächlich geht es dahin, ohne technische Herausforderungen. Aber nicht langweilig. Die Szenerie begeistert. Cruising Mode. Nach etwa 800 Tiefenmetern gelangt man wieder ans Meer. Und hier, etwas westlich des Tanah Lot Tempel, erstrecken sich Strände, die längst nicht so bevölkert sind wie jene in Canggu. Und kilometerlang. Je nach Gezeiten und Swell laufen dort zudem gute Wellen. Ohne aber gleich Horden von Surfern anzuziehen.
Ein letztes Highlight hält Alex im östlichen Teil der Insel bereit: Der Downhill Track von Klungkung war und ist Austragungsort der Asia Pacific Downhill Challenge. Im oberen Teil wartet ein Double mit Meerblick. Kurz darauf verschwindet der Trail nach einer Rechtskurve mit anschließendem Table zwischen Palmen im Dickicht. Doch nur kurz, dann lichtet sich das Grün und gibt immer wieder Blicke auf die anrollenden Wellen im nahen Meer frei. Alle paar Meter führt der Trail dicht an der Straße vorbei, taucht dann wieder weg in das Mischmasch aus Laubbäumen, Palmen, Gräsern und sonstigem Gewächs. Im untersten Teil quert der Klungkung-Track per Northshore-Leiter einen Steilhang ehe er über einen Felsen in Richtung Ziel-Doubles abbiegt. Zwischen dem Trail-Ende und dem Strand liegen einmal wieder nur wenige Meter. Und während man rücklings im tropischen Ozean vor sich hin dümpelt, fällt der Blick unweigerlich auf den Gunung Agung, den höchsten Gipfel der Insel. Rasch ertappt man sich dann auch bei der Frage, ob dieser über 3000 Meter hohe Vulkankegel nicht doch auch Abfahrtsmöglichkeiten auf einem Trail zu bieten hat...